Firstpost

Ich hatte gerade die Neuigkeit erfahren und wusste nicht wirklich, ob ich froh darüber sein sollte oder nicht. Es war schon schwer genug unser Geheimnis vor unseren Schülern zu verheimlichen, doch wie sollten wir es hinbekommen, wenn eine Schar neuer und vor allem neugieriger Schüler dazu kommen würde? Die Day Class Schüler wuchsen mit diesem Geheimnis schon fast auf, als elfjähriger stellte man nicht so viele Fragen, als wenn man sechzehn oder so war. Seufzend trat ich um die Ecke und erblickte Alaska, die auf einer der Bänke sass. Ich ging lächelnd auf sie zu und setzte mich neben sie. "Hallo, geniesst du das schöne Wetter oder einer der letzten Gelegenheiten, in denen unsere Schule nicht wie ein Bienenstock brummt?" Gewohnheitsmäßig kontrollierte ich den Sitz meines Dolches in meinem Stiefel.

Nachdenklich starrte ich über den See in Richtung des Haus Mond als mich plötzlich jemand ansprach. Ich zuckte ein wenig zusammen und drückte mein Tagebuch etwas enger an mich, erkannte jedoch Faith und atmete auf. "Hey, Faith.", begrüßte ich die Jägerin aus dem 7. Jahrgang mit einem kleinen Lächeln und drehte mich auf der Bank, sodass ich sie ansehen konnte. "Eher letzteres, ich mache mir ein wenig Sorgen.", erläuterte ich und seufzte leise auf.
Es brachte nichts, dass ich so besorgt war. Ciel und die anderen würden schon nicht erkannt werden. Immerhin hatte die NightClass es bis jetzt immer geschafft, ihre Identität zu wahren.

Ich sah sie neugierig an. "Weshalb machst du dir denn Sorgen? Bis jetzt hatte Ciel seine kleinen Blutsauger eigentlich gut im Griff, wieso denkst du, dass es dieses Jahr anders sein sollte?" Ich wollte ihr nicht zeigen, dass ich mir genauso Sorgen machte, aber vielleicht konnte ich ihr wenigstens dabei helfen, ihre Sorgen zu zerstreuen. Ich nahm meine Haare zusammen und band sie locker zu einem Knoten hoch und steckte meinen Zauberstab hinein. So hatte ich immer beide Hände frei und konnte sowohl ihn, als auch meine Anit-Vampir-Waffe problemlos ziehen. Ich versuchte nach Aussen hin immer Zuversicht zu zeigen, denn für die Sorgen, die mit den A neg - Schlürfern zu tun hatten, waren wir Jäger zuständig.

Als Faith Ciels Namen aussprach, nickte ich betreten und sah auf meine Schuhspitzen. "Naja, wir waren immer eine sehr geschlossene Schule, eigentlich wusste niemand etwas über die Nevermore und das wir jetzt fremde Schüler hier reinlassen, die unsere Regeln nicht kennen und die vielleicht zu neugierig sind und nachts zum Haus Mond schleichen oder irgendwas sehen, was sie nicht sehen dürften....das beunruhigt mich eben." Ich festigte den Griff um mein Tagebuch und sah zu Faith hoch, sie schien sich keinerlei Sorgen zu machen, was ich ziemlich bewunderte.
So optimistisch war ich aber nicht, ich ging einfach meistens vom schlimmsten aus.

"Man wird ihnen genau einbleuen, was sie dürfen und was nicht. Ausserdem werden wir am Anfang einfach etwas genauer aufpassen, vielleicht mal ein paar mehr Rundgänge machen, als wir es jetzt machen. Das wird alles gut werden. Auch wenn ich Ciel nur so weit traue, wie ich ihn werfen könnte, vertraue ich doch in seine Fähigkeiten." Auch wenn ich ihm nie den Rücken zudrehen würde. Ich lächelte Alaska aufmunternd an. "Du machst dir zu viele Sorgen. Du solltest dich lieber darauf freuen, dass du neue Freunde finden kannst. Die Schüler von Hogwarts haben sicher einiges zu erzählen." Ich bewunderte sie dafür, was sie alles durchgestanden hatten, als sie sich geschlossen gegen den Feind gestellt hatten. Ich war mir nicht sicher, ob wir, wenn es bei uns so gekommen wäre, uns nicht vor Feinden eingekesselt wieder gefunden hätten.

Ich schwieg und nickte nur auf Faiths Worte. Wahrscheinlich hatte sie Recht und meine Sorgen waren einfach unbegründet. "Was? Aber...wieso?", fing ich an als sie sagte, sie würde Ciel nicht über den Weg trauen. Doch ich unterbrach mich selbst mitten im Satz und wank mit einem leisen "Sorry" ab. Faith war eine Jägerin, sie war mit dem Hass auf Vampire sicher aufgewachsen, ich hingegen mit dem Gedanken, dass Vampire und Menschen zusammenleben konnten.
"Ich denke, ich freue mich auch auf sie. Irgendwo...ich meine Hogwarts ist so ganz anders als hier. Und die Schüler haben das vergangene Jahr ziemlich beeindruckende Sachen geleistet."

Ich grinste. "Kein Problem. Ich habe mich mit dem Gedanken arrangiert, dass sie hier sind, auch wenn er mir nicht immer gefällt. Doch ich muss zugeben, dass sie sich bis jetzt gut in ihre Situation eingefunden haben." Kein Wunder, denn sie wurden ja auch immer überwacht. Mein Blick glitt über den See. "Ja haben sie und ich freue mich darauf, sie ein bisschen darüber auszuquetschen. Wer kann denn schon von sich behaupten, dass er an einem Geschichtsrächtigen Ereigniss dabei gewesen war?" Gut viele der Vampire konnten das, doch von denen wussten nur wenige und ich persönlich hatte nicht vor sie auf Kaffee und Kuchen einzuladen und mit ihnen ein Schwätzchen zu halten.

Ich sah Faith von der Seite an und lächelte zaghaft als sie weitersprach. Faith war eine ziemlich gute Wahl meiner Mutter gewesen, was die Vertrauensschülerposten anging, hatte sie sowieso ein richtiges Händchen dafür. Natürlich versuchte sie, so wenig Schüler wie möglich in das Geheimnis der Vampire zu verwickeln und da kamen die Jägerskinder, die damit aufwuchsen doch gerade Recht. Ich bewunderte es ziemlich, dass Faith trotz ihrer Erziehung doch noch so tolerant gegenüber den Vampiren war. "Ich freu mich schon, sie rumzuführen.", sagte ich und zog die Knie an, nachdem ich mein Tagebuch in meiner Tasche verstaut hatte.
"Aber du hast Recht, ich würd auch gerne ihre Geschichten hören, aber glaubst du, sie geben das alles einfach so preis?"
Immerhin hatte der Krieg auch seine Opfer gebracht..

Argh...ja...dazu gehörte ja auch, dass man ihnen alles zeigte. "Das Rumführen überlasse ich gerne dir, ich bin da nicht so geduldig, wenn es darum geht, jemandem etwas zu erklären." Ich zwinkerte ihr aufmunternd zu. Auf ihre Frage hin, schloss ich kurz meine Augen. Verluste gehörten nun mal zum Leben dazu, da mussten sie durch. "Darüber zu reden, kann einem auch helfen, dass man damit besser fertig wird." Meine Grossmutter hatte tagelang dazu gebraucht, mich dazu zu bringen überhaupt ein Wort zu sagen, doch als ich ein mal angefangen hatte, schossen die Worte nur so aus mir heraus und es hatte sich befreiend angefühlt. "Wir sollten ihnen einfach Zeit lassen, sie kennen lernen und ihnen zeigen, dass es auch ein Leben nach dem Krieg gibt." Ihre Traumas würden sie bekämpfen müssen, sonst würden sie die Erinnerungen zerstören. Einer der Gründe, warum mich meine Grossmutter nach dem Verlust meiner Eltern, gezwungen hatte wieder auf die Evermore zu gehen. Und sie hatte Recht behalten, auch wenn ich immer noch ab und zu Nachts schreiend aufwachte und sein Gekreische hörte.

"Da hab ich kein Problem mit, ich führe gerne rum.", sagte ich und lächelte fröhlich. Während ich mir meine blonden Haare aus der Stirn strich dachte ich darüber nach, wie sich die Hogwartsianer nun fühlen mussten. Sie hatten gerade einen Krieg gewonnen und nun würden sie ihr versäumtes Jahr alle auf einer fremden Schule wiederholen. Ich nahm mir vor, ihnen den Einstieg so angenehm wie möglich zu machen, nun...so angenehm, wie es bei den ganzen Regeln hier eben ging.
Sicher würde es Fragen geben bezüglich der NightClass. Aber solange niemand all zu misstrauisch wurde, war ich beruhigt.
Als Faith wieder weitersprach sah ich sie von der Seite an und nickte.
"Ich werds versuchen.", versprach ich und lächelte.

Ich lächelte zurück. "Na siehst du, warum sich also Sorgen machen? Die Jüngeren werden lernen damit aufzuwachsen und auf die Älteren werden wir eben ein bisschen besser aufpassen. Doch in Hogwarts gab es sicher auch Regeln, die sie bestimmt nicht permanent verletzt hatten. Nur weil sie auf einer neuen Schule sind, heisst das ja nicht, dass sie gleich alles ignorieren, was wir ihnen sagen. Ich denke es wird eher das Gegenteil sein, dass sie anfangs sich sehr bemühen werden, sich bei uns einzugliedern." Ich stupste sie leicht mit der Schulter an, auf meinem Gesicht lag immer noch ein beruhigendes Lächeln.

Ein weiteres Mal nickte ich, diesmal durchaus zuversichtlicher als vorhin, wo Faith noch nicht dagewesen war. Doch wie von selbst wanderte mein Blick über die Brücke zum Haus Mond. Ob die Nachricht von den Hogwartsleuten dort schon eingeschlagen war? Was wohl Ciel und die anderen davon hielten?
Oder kümmerten sie sich einfach nicht um uns Menschen und würden einfach so weitermachen wie vorher?
Prüfend zog ich an meiner Krawatte und stand schließlich auf, meine Tasche hing lose über meine Schulter. "Wollen wir reingehen? Ich hab noch nichts gefrühstück, du?" Ich war - wie sich ja wohl von selbst erklärte - tagsüber meistens müde, vor allem in den Morgenstunden, jedoch versuchte ich, mir das nicht allzu sehr anmerken zu lassen. Aber ich verbrachte die Nächte so gut wie immer außerhalb des Bettes zusammen mit den Montrosegeschwistern und den anderen Vertrauensschülern.

Auch wenn ich sie scheinbar etwas beruhigt hatte, spuckten immer noch viel zu viele Gedanken in ihrem Kopf herum, das konnte man sehen, doch ich ging nicht weiter darauf ein. Als sie sich erhob, tat ich es ihr gleich, strich kurz über meine Uniform, kontrollierte nochmals den Sitz meiner Waffe und meines Zauberstabes und lächelte sie dann an. "Frühstück klingt klasse, ich hatte selbst noch keine Zeit dafür erübrigen können." Genau wie sie verbrachte ich den Grossteil der Nacht bei den Anderen Vertrauensschülern und dem Rest der Jäger, die in der Schule waren.

(Wo sollen wir hin?)

"Naja wie auch...man ist ja die ganze Nacht wach." Ich lächelte matt, ich machte diesen Job nun schon einige Zeit, eigentlich verbrachte ich, seit ich von den Vampiren wusste, meine Nächte mit offenen Augen. Als ich noch keine Vertrauensschülern gewesen war hatte ich eben die ganze Nacht am Fenster geklebt und nach draußen gestarrt, in der kindischen Hoffnung, einen Blick auf Ciel und die anderen werfen zu können. Aber besonders eben auf Ciel.
"Wir können zu mir gehen, wenn du nicht in den Speisesaal willst. Aber der wird zur Zeit wohl sowieso nicht mehr so voll sein.", sagte ich und grinste Faith an.

Mich störte es nicht sonderlich, dass wir die Nächte wach waren und den Tag im Unterricht verbrachten. Ich brauchte noch nie sehr viel Schlaf und nutzte das auch aus. "Na dann komm, wir gehen Frühstücken, ich könnte einen Drachen verputzen." Ich zog sie einfach mit mir, denn sie musste unbedingt etwas abgelenkt werden und das ging am Besten im Speisesaal, wo die anderen ihre Gedanken in eine andere Bahn werfen konnten. Ich warf nochmals einen Blick über den See zum Mond Wohnheim, wandte mich dann aber wieder ab und ging in Richtung des Speisesaals.
Tbc: Speisesaal der Day Class

"Lass mir dann was übrig." Ich festigte den Griff um den Riemen meiner Tasche und folgte Faith in Richtung des Hauptgebäudes. Vielleicht waren dort ja ein paar meiner Stufe, es würde mich interessieren, was die anderen von den Hogwartsianern so dachten.
Probeweise fuhr ich mir durch die langen blonden Haare, bevor wir eintraten. Immerhin waren wir ja Autoritäten.